Gerhard Martini - Texte

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Gerhard Martini

Ein Gemälde, großformatig, in Gerhard Martinis letztem Jahr an der Akademie entstanden, zeigt die hintere Hälfte eines Passagierflugzeugs, umfangen von blauem Himmel. Im Ablauf der Fenster ergibt sich eine gleichmäßige Sequenz, auf dem Heck befindet sich ein rotes verschlungenes Logo. Die Malerei selbst bleibt flächig, jeder Pinselduktus ist zurückgenommen.
Gerhard Martini erwähnt den kunsttheoretischen und praktischen Kontext, aus dem heraus das "Flugzeug" Ende der siebziger Jahre entstanden ist. Er verweist auf die Konzeptionen, welche die Malerei unterwanderten und bis heute in sein Werk hineinspielen, auf das Werk von Daniel Buren und auf die fünf monochromen Räume von Jannis Kounellis in Rom, auf den Einfluss von Benjamin Buchloh. Martinis Malerei ist auch eine Malerei über Malerei. Sie bedient sich dabei des Vokabulars der Alltagsfotografie, der Postkartenmotive und verklausuliert des Bildjournalismus. Die Anbindung an die Realität ist konstituierend, führt schließlich zum Zueinander von Gegenständlichkeit und gegenstandsfreier Anlage.

Gerhard Martini, der an der Düsseldorfer Akademie bei Gerhard Richter studiert hat, stellt bereits mit vierundzwanzig Jahren bei Konrad Fischer in der Neubrückstraße aus. Die Skepsis und die Nachdenklichkeit gegenüber dem Medium aber bleibt. - Natürlich ist jedes Auflisten der Werkgenese eine Verkürzung und erzeugt Missverständnisse, zumal es einiges auslässt. Vielleicht vermittelt es eine Ahnung: Kurzzeitig entwickelt Martini Fotoserien, dann objekthafte Akkumulationen in Verbindung mit einem Tafelbild. In der ersten Hälfte der achtziger Jahre setzt er mit der Malerei, mit Gemälden von Obst neu ein und schließt damit an seine erste Bildfolge überhaupt an, die im Studium entstanden ist. Gegeben sind einfache Dinge, deren Form und Plastizität, Oberfläche und Glanz vermittels Malerei weit mehr präsent sind als dies ein Foto leisten kann.

Ab Mitte der neunziger Jahre entstehen Arbeiten, die Bilder der klassischen Moderne aufgreifen, diese in ähnlichem Vortrag sozusagen reproduzieren: Bilder von Künstlern wie Van Gogh, Gauguin, Corinth, die zum Allgemeingut der Kunstgeschichte gehören und von Martini besonders geschätzt werden. Jedoch bricht er mit der Vorlage, indem er den Maßstab verändert und in die untere Bildhälfte Text aus den unterschiedlichsten Bereichen setzt, in der Art ausgestanzter Schablonen und mit leuchtender Farbigkeit, so dass die Schrift wie auf einer anderen Ebene vor der Darstellung steht. Martini arbeitet mit dem Zueinander von Fläche und Bildraum, dünnem deckenden Auftrag und pastoser Formulierung, der Sinnlichkeit reiner Malerei und dem methodischen Ausloten von Motiven und Bildklischees.

In den letzten Jahren ist weiteres hinzugekommen. Der Träger wechselt zwischen Leinwand, dünnen Metallplatten, Schichthölzern und Kunststoffen, teils als transparente Flächen, auf welche die Farbe wie Inseln gesetzt ist. Die Arbeiten sind nun kleiner, haben kaum die Größe einer Postkarte. In der jüngsten Zeit beschränkt sich Martini auf Aluminiumplatten, über denen sich in geschlossener Fläche, zum Teil mit schwarzer und weißer Lackfarbe, Silhouetten von Figuren, Köpfen befinden. Die fragile Unberührbarkeit der Erscheinung geht einher mit Fließbewegungen ohne Gestus, im Kontrast zum rohen und gebrauchten präfabrizierten Träger. Nach wie vor aber lässt sein Vorgehen (vermeintliche) Regressionen zu. So hat er vor ein paar Jahren, als Auftrag für das Klinikum Heidelberg, einen riesengroßen Pfirsich zur Kombination mit einem analogen Bild - einem Apfel - aus den siebziger Jahren gemalt. Der konzeptuelle Umgang mit den bildnerischen Medien bleibt evident.

Thomas Hirsch, 2007